Mit der Andheri Hilfe auf Projektreise in Indien

Im Februar 2020 begleiteten wir, Sabine Meyer-Nitschke  (links im Bild) und Karin Freist-Wissing, mit einer Gruppe Elvira Greiner (Bild unten) von der Andheri Hilfe nach um die Arbeit und die Menschen vor Ort kennenzulernen. Wir waren überwältigt von den vielen Eindrücken, von den offenen, herzlichen Menschen, von der Buntheit der Farben, von der Gegensätzlichkeit,  von Geschmack der indischen Küche, vom Mut der Frauen, vom unermüdlichen Einsatz der Mitarbeitenden vor Ort. Unmöglich dies in Kürze in Worte zu fassen.

Unsere erste Station war Hyderabad, eine pulsierende Stadt mit mehr als sieben Millionen Einwohnen. Wir haben Menschen einer Community in einem von rund 1.400 Slums in Hyderabad besucht. Der langjährige Partner  der Anheri Hilfe, Montfort Social Institute , hat in den letzten 30 Jahren erreicht, dass es eine Schule gibt, dass sich die Frauen, die ihr Einkommen oft als Hausangestellten verdienen, ihre Rechte einfordern. In Kinderparlamenten lernen die Kinder und Jugendlichen für ihre Interessen einzutreten. Das Wichtigste für die Familien ist, dass sie weiterhin dort leben dürfen, nicht vertrieben werden, und inzwischen in Häusern aus Stein leben.

Von Hyderabad ging es weiter nach Jabalpur, um von dort aus Ressourcenschutz-Projekte in Madhya Pradesh zu besuchen. Hier ist der lokale Partner WOTR (Watershed Organisation Trust) aktiv, um Wassereinzugsgebiete zu schaffen und Ökosysteme zu schützen. Die Menschen in Jangaliya haben es geschafft, durch Pflanzungen das Regenwasser so aufzufangen, dass sie auch in Dürreperioden genug zum Überleben haben und zwei Mal im Jahr Getreide ernten. Am Nachmittag waren wir in einem zweiten Dorf, rund 80km von Jabalpur entfernt. Hier erzählten uns die Menschen, dass sie aus ihren Brunnen und an der Wasserstelle mit Handpumpe für zwei Monate im Jahr überhaupt kein Wasser holen können, weil es keins gibt. Sie sind auf die Wassertanks angewiesen, die in dieser Zeit täglich in begrenzter Menge mit Autos gebracht werden.

Unsere Weiterreise führte uns in die Bundelkandh-Region, wo wir Rawtpura besuchen, ein Dorf, das die Andheri Hilfe  mit dem lokalen Partner zehn Jahre unterstützt hat. Es gibt eine Kinderkrippe, eine Grundschule und eine weiterführende Schule bis zur 10. Klasse. Im Gemeinderaum hängen von den Dorfkommittees ausgearbeitete Dorfpläne und Listen, Infos zur ausgewogenen Ernährung. Auch hier hat die Partnerorganisation Arunodaya Sansthan damit angefangen, Frauen und Mädchen in Selbsthilfegruppen zu organisieren, um sich zu treffen, sich auszutauschen und über Rechte zu sprechen oder von Regierungsprogrammen zu berichten, bei denen man Gelder beantragen kann.  

90 Prozent der Frauen arbeiten, auch die Männer sind als Handwerker oder Landwirt tätig. "Mama, lass mich am Leben. Denn ich möchte die Welt sehen. Was wäre die Welt ohne Frauen?", singt Lakshmi, ein junges Mädchen aus der organisierten Jugendgruppe. Das Thema Mädchentötung ist kein Tabu. Das ganze Dorf begrüßt uns herzlich und feiert mit uns.

Der Gegensatz zu dem Dorf Bagaura, in dem Arunodaya Sansthan erst im letzten Jahr mit der Arbeit begonnen hat, könnte nicht größer sein. Bagaura liegt am Rande der Bundelkandh Region im Grenzgebiet zwischen Madhya Pradesh und Uttar Pradesh. Eine von der Regierung vergessene Region, in der das Kastenwesen, eigentlich seit vielen Jahren offiziell verboten, noch sehr lebendig ist. Mutig erzählen uns Frauen und Mädchen von den täglichen Übergriffen und den Repressalien durch die höher gestellten Kasten.

Mütter haben Angst um ihre Töchter auf dem Weg zur Schule oder zum Wasserholen. Aus Angst, ihre Töchter könnten vergewaltigt werden, lassen die Eltern ihre Mädchen nicht mehr aus dem Haus. Mädchen gehen oft nur bis zur 6. Klasse zur Schule, denn die weiterführen de Schule ist mit 40 Minuten Fahrtzeit zu weit weg.  Alkoholismus unter den Männern ist weit verbreitet. Etliche Frauen unterschiedlichen Alters erzählen uns, dass ihre Söhne oder ihre jungen Ehemänner auf der Suche nach Arbeit das Dorf verlassen haben und sie seit Monaten nichts von ihnen gehört haben. Zurück bleiben ältere Frauen, die nicht mehr arbeiten können und niemanden haben, der für sie kocht und sorgt und junge, verheiratete Frauen mit zwei, drei Kindern, die plötzlich ihre Schwiegermutter, ihre eigenen Eltern und ihre Kinder allein durchbringen müssen. Große Herausforderungen liegen vor den Menschen dieses Dorfes. Und doch sagt Abishek von Arunodaya Sansthan am Abend: „Natürlich haben wir Hoffnung. Kommt in zehn Jahren wieder, dann werden die Männer der obersten Kasten für euch und alle Menschen dieses Dorfes kochen und ein großes Fest ausrichten!“

Der letzte Teil  der Reise führte uns in den Norden nach Lucknow. Mit Zwischenstopps am UNESCO-WELTKULTURERBE, den Tempeln in Khajuraho und der Innenstadt von Lucknow führte uns die Reise in ein Dorf in Uttar Pradesh. Dort hat die lokale Partnerorganisation vor drei Jahren mit der Arbeit begonnen. Wir treffen eine organisierte Jugendgruppe für Mädchen. Zu Beginn war es für die Sozialarbeiterinnen nicht einfach, die jungen Frauen für die wöchentlichen Treffen zu gewinnen. Sie waren skeptisch und ängstlich, ihre Eltern dachten, sie würden an Menschenhändler geraten. Inzwischen sind sie stark, wollen Polizistin, Ärztin, Lehrerin oder Cricket-Profispielerin werden.