Evangelische in Holzlar
Von Friedrich Gebhardt
Als die Evangelische Kirchengemeinde Bonn-Holzlar vor fünfzig Jahren gegründet wurde, gehörten ihr nur wenige ältere Menschen an, denn ihre allermeisten Glieder waren erst nach dem Kriege in diese ehemals ganz überwiegend katholische Gegend zugezogen. Da wundert man sich, warum sich hier zwischen Hauptstraße und Holzlarer Bach der älteste evangelische Friedhof Bonns befindet. Seit wann gibt es hier Evangelische?
Die Anfänge
Die kleine Siedlung Holzlar gehörte wie auch Oberkassel Mitte des 16. Jahrhunderts zum Herzogtum Berg, das etwa zur Hälfte calvinistisch oder lutherisch geworden war. Mehr lesen
Die Gemeinde Oberkassel
Um 1600 wurde in der Gemeinde Oberkassel evangelisch gepredigt, 1609 gab es einen reformierten und einen katholischen Pfarrer, der 1611 von drei Bauern aus Kirche und Pfarrhaus vertrieben wurde. Mehr lesen
Der evangelische Friedhof
Mitte des 17. Jahrhunderts lebte in Holzlar die evangelische Familie Linder, die viel Land besaß. Am 9. Februar 1658 starb Hermann Linders Frau. Wo sollte sie begraben werden? Mehr lesen
Gemeindegründungen
Nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 beginnt sich eine religiöse Toleranz auszubreiten, das Leben der Evangelischen in katholischen Gegenden und umgekehrt wird einfacher. Dadurch wird es möglich, dass sich auch hier immer mehr evangelische Gemeinden bilden. Mehr lesen
Quellen
Bachem, Carl Jakob: Beueler Chronik. Bonn, 1989.
Becker, Oswald: Aus der Vorgeschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Bonn-Holzlar. In: 10 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Bonn-Holzlar. 1982.
Cramer, Rudolf: Der Evangelische Friedhof in Holzlar. Bonn, 2008.
Füg, Ernst: Hab Acht auf die Jahre. Ein Beitrag zur Geschichte der alten evangelischen Kirche in Oberkassel und ihrer Gemeinde. Um 1980.
Gebhardt, Friedrich: Daten zur Geschichte der Gemeinden Hangelar und Holzlar. In: mitteilungen 139, 1990.
Goeters, J. F. G.: Vilich in der Zeit der Reformation und der Gegenreformation. In: 10 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Bonn-Holzlar. 1982.
Die Anfänge
Die kleine Siedlung Holzlar gehörte wie auch Oberkassel Mitte des 16. Jahrhunderts zum Herzogtum Berg, das etwa zur Hälfte calvinistisch oder lutherisch geworden war. Damals gab es in dieser Gegend immer wieder Pfarrer, die evangelisch predigten und das evangelische Abendmahl austeilten, so bis 1550 in Küdinghofen, Oberkassel und Niederdollendorf. Sogar der Kurfürst und Erzbischof von Köln Hermann von Wied ließ in Bonn von 1542 bis zu seiner Abdankung 1547 evangelische Gottesdienste zu und in Vilich, das politisch zum Kurfürstentum gehörte, gab es ebenfalls bis 1547 einen evangelischen Pfarrer.
Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 konnten erneut evangelische Pfarrer wirken, darunter wiederum in Vilich bis 1569, wo es damals wie auch in Schwarzrheindorf und in Oberkassel eine Gruppe von Täufern (früher oft Wiedertäufer genannt) gab, und in Siegburg bis 1572.
Ein Einschnitt in der wechselvollen Geschichte protestantischer Gemeinden bahnte sich 1609 an. Zu der Zeit gab es reformierte Gemeinden außer in Oberkassel auch in Honnef, Mondorf, Lülsdorf, Sieglar, Bergheim an der Sieg und Uckerath. Der Herzog Johann Friedrich von Kleve-Jülich-Berg starb kinderlos und wurde vom protestantischen Kurfürsten von Brandenburg und vom ebenfalls protestantischen Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg (Neuburg an der Donau), einem Wittelsbacher, beerbt, die sich 1614 die Verwaltung dieser Gebiete teilten. Berg fiel dabei an den Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm, der 1613 katholisch geworden war und 1619 evangelische Gottesdienste verbot. Die Protestanten standen damals unter dem Schutz der Niederländer, die auf einer Rheininsel nahe der Siegmündung, dem Kemper Werth, 1619/1620 eine Befestigungsanlage, die „Pfaffenmütze“, anlegten. Diese wurde jedoch schon 1622 von den Spaniern eingenommen und zerstört, so dass sich die protestantischen Gemeinden in der Folge nach und nach auflösten, nur Oberkassel blieb bestehen.
Die Gemeinde Oberkassel
Um 1600 wurde in der Gemeinde Oberkassel evangelisch gepredigt, 1609 gab es einen reformierten und einen katholischen Pfarrer, der 1611 von drei Bauern aus Kirche und Pfarrhaus vertrieben wurde. Wohl bis 1624 wurde danach nur evangelisch gepredigt. 1629 wurde der Gemeinde das Versammlungsrecht in der katholischen Kirche entzogen und der evangelische Pfarrer eingekerkert. Die Gemeinde versammelte sich forthin in Privathäusern oder im Freien bei der „Geusenbuche“ am Mönchshof oberhalb des Parks Arboretum. Zumindest zeitweise kümmerten sich trotz Verbots reformierte Geistliche aus der weiteren Umgebung um ihre Glaubensbrüder.
1666 einigten sich der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm und der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm auf eine endgültige Aufteilung der bis dahin gemeinsamen Besitzungen, wobei Berg dem Pfalzgrafen zufiel, und schlossen 1672 den Religionsvergleich von Cölln an der Spree, der den Reformierten im Herzogtum Berg aufgrund der Religionsverhältnisse von 1624 an 29 Orten, darunter Oberkassel, die öffentliche Ausübung ihres Bekenntnisses erlaubte. Die Gemeinde Oberkassel-Spich erhielt Grundbesitz und Einkünfte der Pfarre. Sie betreute die Evangelischen im weiten Umfeld, von Honnef bis Lohmar. Auf einem Grundstück an der Zipperstraße errichtete die kleine und arme Gemeinde ab 1683 die alte evangelische Kirche, das Richtfest fand 1688 statt. Bereits 1689 wurde sie von französischen Truppen angezündet und musste erneut aufgebaut werden. Sie ist die erste evangelische Kirche in weitem Umfeld von Bonn.
Nach einer Konfessionsstatistik gab es später, 1731, in Oberkassel 24 protestantische Familien, in Oberdollendorf 15, Lohmar 13, Küdinghofen, Uckerath und Bergheim je 1 und in Vilich 4; das waren vier Familien in Holzlar, denn Holzlar gehörte bis 1906 zur katholischen Pfarre Vilich.
Der evangelische Friedhof
Mitte des 17. Jahrhunderts lebte in Holzlar die evangelische Familie Linder, die viel Land besaß. Am 9. Februar 1658 starb Hermann Linders Frau. Wo sollte sie begraben werden? Die Protestanten in Oberkassel wurden zwar auf dem dortigen katholischen Friedhof beerdigt, aber Auswärtigen wurde das nicht genehmigt. Deshalb bestattete Hermann Linder seine Frau auf seinem eigenen Grundstück, in „Linders Garten“. Der Grabstein ist erhalten und steht jetzt an der hinteren (westlichen) Seite des Friedhofs. Die nächsten Grabsteine stammen aus dem 18. Jahrhundert: Dilmanus Linder und Catrina Beckers, Conrat Linder und Barbara Craemers. Ehefrauen behielten damals oft ihren Mädchennamen mit angehängtem „s“. Übrigens wurde das älteste erhaltene Haus in Holzlar, das Fachwerkhaus Hauptsraße 61, 1698 von der Familie Linder gebaut und noch heute bewohnt; das Fachwerkhaus Hauptstraße 59c wurde fast ein Jahrhundert später, nämlich 1790, von der Familie Greif angebaut, die auf dem Friedhof ebenfalls mit mehreren Gräbern vertreten ist.
Dass es zahlreiche weitere Bestattungen gegeben hat, wissen wir aus den seit 1676 existierenden Kirchenbüchern der evangelischen Gemeinde Oberkassel, die manchmal den Ort nennen. Auch vor 1658 mag der Friedhof schon benutzt worden sein.
Unter der Erde Holzlars liegen bis hin nach Oberpleis in wenigen Meter Tiefe Braunkohleflöze geringer Mächtigkeit, die letzten Ausläufer des Rheinischen Reviers. Im 18. Jahrhundert begann hier ein industrieller Abbau; die erste Mutung (bergrechtlicher Antrag zur Genehmigung des Abbaus) fand 1757 statt, die Belehnung ein Jahr später: Grube Juan Georg in Gielgen zwischen der Siebengebirgsstraße und dem Giersbergweg. Ab 1804 begann der Bergmeister des staatlichen Bergamtes Linz, Leopold Bleibtreu, auf der Hardt Kohle zu muten und kaufte eine Grube in Gielgen. Die Kohle war für die Kupferschmelze in Rheinbreitbach geplant, jedoch dafür nicht verwendbar, aber Bleibtreu stellte fest, dass sie Alaun enthielt, und errichtete in der Folgezeit zwei Alaunhütten am Ennert. Er holte sich für den Kohleabbau zwischen Hardt und Vinxel Bergleute aus anderen Gegenden, die zum Teil wie er evangelisch waren. So kam es dazu, dass er 1816 (und nicht 1860, wie die Stadt Bonn auf der Tafel am Friedhof schreibt) Linders Baumgarten mitsamt einer Erweiterung zum Bach hin kaufte, einzäunte und der evangelischen Gemeinde Oberkassel übereignete zur Bestattung der Holzlarer Evangelischen wie auch seiner hier und in den umliegenden Dörfern wohnenden Arbeiter und ihrer Familien. Für ihn und seine Familie war die Seite zum Bach hin reserviert.
Der älteste Grabstein und die letzte Beisetzung, Foto Friedrich Gebhardt
Der Friedhof wurde 1968 geschlossen und nur einige namentlich genannte alteingesessene Holzlarer durften dort noch beigesetzt werden; die letzte Beerdigung, Anna Katharina Greif geb. Linden, fand 2005 statt. Aufgrund eines Schreibfehlers eines Standesbeamten im 19. Jahrhundert heißt ein Teil der Familie Linder seither Linden. Seit 1983 steht der Friedhof unter Denkmalschutz.
Gemeindegründungen
Nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 beginnt sich eine religiöse Toleranz auszubreiten, das Leben der Evangelischen in katholischen Gegenden und umgekehrt wird einfacher. Dadurch wird es möglich, dass sich auch hier immer mehr evangelische Gemeinden bilden.
In Siegburg wird 1925 in der ehemaligen Abtei auf dem Michaelsberg die Erste Rheinische Irrenheilanstalt eingerichtet und 1829 ein evangelischer Anstaltsseelsorger eingestellt. Das war wohl der Anlass zur Gründung der evangelischen Gemeinde Siegburg, der ersten Tochtergemeinde von Oberkassel, die vom Anstaltsseelsorger mitbetreut wurde. Die Gründungsakte nennt acht Holzlarer Familien, die dann aber doch bei Oberkassel bleiben.
Alte evangelische Kirche Oberkassel um 1900, damals noch mit Turmuhr.
Quelle: Archiv der Vereinigung der Fotoamateure Oberkassel und Siebengebirge
In Beuel errichtet die Gemeinde Oberkassel 1894 die Versöhnungskirche. Am 1. April 1909 wird die Gemeinde Beuel gegründet, pfarramtlich aber noch von Oberkassel betreut; 1914 erhält sie ihren ersten Pfarrer, Hermann Lahusen. Zu Beuel gehört auch Kohlkaul; Holzlar wird 1917 von Oberkassel nach Beuel umgemeindet. Nach dem Zweiten Weltkrieg kommen auch in diese Gegend viele Evangelische; das verstärkt sich, als Bonn provisorische Bundeshauptstadt wird. 1949 richtet die Gemeinde Beuel daher in Hangelar eine Außenstelle ein; monatliche Gottesdienste finden in der Volksschule statt. Am 1. April 1956 trennt sich Oberpleis von Oberkassel; zur neuen Gemeinde gehören auch Ettenhausen, Hoholz und Hähnchen.
Die Gemeinde Siegburg legt am dritten Adventssonntag 1955 den Grundstein zur Pauluskirche in der jetzigen Stadt Sankt Augustin; am 1. April 1957 wird die Evangelische Kirchengemeinde St. Augustin gegründet, aus Beuel bekommt sie Hangelar, Kohlkaul und das inzwischen entstandene Heidebergen. Am 28. Oktober 1962 wird in Hangelar der Grundstein zum Melanchthonhaus gelegt, zum 1. April 1963 wird der zweite Pfarrbezirk, Hangelar, errichtet, am 30. Juni 1963 Pfarrer Krieger in sein Amt eingeführt.
Am 1. Januar 1964 wird die Kirchengemeinde Hangelar mit Kohlkaul und Heidebergen selbständig; aus Beuel werden Holzlar, Roleber und Gielgen hierhin umgemeindet. Rosemarie Roeder gründet den Singkreis, den jetzigen Evangelischen Chor Hangelar-Holzlar, und 1966 den Kinderchor. Im Oktober 1964 erscheint der erste Gemeindebrief, dem sporadisch weitere Ausgaben folgen, bis er im März 1971 den Namen mitteilungen erhält und fortan zweimonatlich verteilt wird.
Auch die Gemeinde Hangelar wächst weiter. Zum 1. April 1971 wurde Hoholz mit Ettenhausen aus Oberpleis hierhin umgemeindet. In Holzlar wird eine Kleinkirche in Fertigbauweise errichtet und am 28. Mai 1967 eingeweiht, das gleiche Modell wie die evangelische Kirche in Stieldorf. Im April 1970 erhält sie eine Kleinorgel, die jetzt in Stieldorf steht. Nach Errichtung des Gemeindezentrums wird sie 1975 nach Eggerscheidt als Gemeindekirche versetzt, erleidet Ende 2018 einen Sturmschaden, steht seit letztem Jahr als mobiles Denkmal unter Schutz und wird derzeit erneut versetzt, nämlich in das Freilichtmuseum Lindlar.
Abbau der Holzlarer Kleinkirche im Jahr 1975
Zum 1. Oktober 1969 wird in Hangelar für Holzlar eine zweite Pfarrstelle eingerichtet; Pfarrer Oswald Becker wird am 1. Februar 1970 eingeführt.
Schließlich wird am 1. Januar 1972 auch Holzlar selbständig, bestehend aus den jetzt zur politischen Gemeinde Bonn gehörenden Teilen der evangelischen Gemeinde Hangelar, mit der sie noch viele Jahrzehnte durch den gemeinsamen Gemeindebrief mitteilungen, ab 2004 einBlick in zwei Gemeinden, und bis heute durch den gemeinsamen Chor verbunden bleibt. Einige Häuser an der Mülldorfer Straße und am Rehsprung gehören aber weiter zu Beuel.
Das neue Gemeindezentrum in einem Artikel der Kirchenzeitung "Der Weg"